Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze. 643
iiister Brandenburg und Manteuffel und durch den tapfern Ge-
neral Wrangel von dem schlimmen Gesindel gereinigt und wieder
zur Ruhe gebracht. Ganz Preußen hatte einen Ekel vor dem gemei-
nen und nichtswürdigen Gebühren der Demokraten bekommen, die Auf-
stande in Dresden, Pfalz und Baden wurden mit leichter Mühe von
den preußischen Truppen niedergeschlagen, der republikanische Parla-
mentsreft in Stuttgart durch die württembergische Negierung auseinan-
dergejagt. So war das tolle Schimpf- und Trauerspiel in Deutsch-
land wieder zu Ende gebracht, und allmalig, wenn auch mit einigen
Schwierigkeiten, kam Alles wieder in das alte Geleise. Der Bundes-
tag trat, weil sich keine andere und bessere Centralbehörde wollte bil-
den lassen, wieder in seine alten Gerechtsame ein. Auch Ungarn
wurde mit russischer Hülfe den Oestreichern wieder unterworfen, und
nur ein Kampf endete jämmerlich und rühmlos für die deutschen
Waffen, unheilbringend für einen deutschen Bruderstamm, der Kampf
in Schleswig gegen die Dänen. Weil Schleswig, Holstein und
Lauenburg voraussichtlich in kurzer Zeit an die männliche Seitenlinie,
das übrige Dänemark aber an die nähere weibliche Linie des däni-
schen Königshauses fallen mußte, darum hatten die dänischen Minister
die deutschen Landestheile durch einen Machtspruch mit den dänischen
Provinzen zu einem Gesammtftaat vereinigt. Die Schleswig-Holstei-
ner hatten sich dagegen erhoben; Preußen mit den Truppen des übri-
gen Deutschlands hatte sie unterstützt; allein am Ende gelang es den
Engländern, Schweden, Russen und Oestreichern, einen Frieden herbei-
zuführen, durch welchen die deutschen Brüder rechtlos und schutzlos
den Händen ihrer Unterdrücker preiögegeben wurden; und das damals
angerichtete Unheil ist noch heute nicht wieder gut gemacht.
Die schrecklichen Umwälzungen auf dem politischen Gebiet hätten
unmöglich einen so allgemeinen Anklang und weite Verbreitung finden
können, wenn nicht auch auf religiösem Gebiete eine Anzahl Erschei-
nungen aufgetreten wären, die dem gottlosen Kampf gegen alles Be-
stehende Vorschub leisteten. Bei den katholischen Staaten Frank-
reich, Italien, Oestreich nimmt uns solche Ausartung der Cretigion,
Verachtung des Heiligsten und Mißbrauch zu den jämmerlichsten Zwecken
nicht so sehr Wunder. Aber daß auch in dem evangelischen Deutsch-
land, daß auch in Preußen, dem Hort des Protestantismus, wo in
den Freiheitskriegen sich eine so viel versprechende religiöse Begeisterung
entzündet hatte, solch schmählicher Abfall erfolgen und sich eine geraume
Zeit halten konnte, das sollte uns billig wundern. Wo war doch die
herrliche Beterschaar, wo war der christliche Heldeneifer aus den Frei-
heitskämpfen geblieben? Er war in seiner Unklarheit leider vielfach
irre gegangen und hatte sich bei mangelnder Leitung und Belehrung
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ß04 Xxv. §. 8. Napoleon, die Geißel Gottes über die Welt.
sich die Kaiserkrone aufsetzen möchte. Er that's 1804— Fortan
ward der Name Republik mißfällig. Alle die Republiken in Italien,
Schweiz und Holland, auch die Napoleon selber gestiftet, mußten
eilends dieselbe Wandlung durchmachen, wie die große republikanische
Mutter und Herrscherin Frankreich sie eben durchgemacht hatte.
Sie wurden Königreiche unter der Oberhoheit Napoleon's. Denn
obwohl in allen anderen Fällen das Königthum eine unerträgliche
Knechtschaft ist, sagte Napoleon, so ist es doch eine Segnung für
die Völker, wenn ich selber die Königskrone aufsetze, oder sie meinen
Brüdern, Vettern und Freunden gebe, denn ich, Napoleon, der
Einzige, der Unvergleichliche, der Hort der Freiheit, das Heil der
Völker, ich bin ja Bürgschaft genug gegen jeglichen Mißbrauch. Und
so verschenkte er denn die Königskronen wie Nüsie. Seinen Bruder
Louis (Vater des jetzigen Napoleon) machte er zum König von Hol-
land, Joseph zum König von Neapel, nicht lange nachher seinen Bru-
der Hieronymus zum König von Westphalen. Die italienische Kö-
nigskrone behielt er selber, und sein Stiefsohn Eugen ward Vice-
könig. Seinen Schwager Murat machte er zum Großherzog von
Berg, den General Bert hi er zum Herzog von Neufchatel, seine
übrigen Schwäger zu Herzögen von Parma und Lucca, unter seine
ausgezeichnetsten Generäle vertheilte er das venetianische Gebiet. Wer
kein Land bekam, bekam doch seine Titel, Orden und Ehren, ein glän-
zender Kreis von Herzögen, Prinzen, Grafen, Marschällen, Marquis,
Großoffizieren und Großwürdenträgern umgab den Kaiser, wie Sterne
die Sonne. Wo waren die Zeiten hin, da jeder Adelsrang und Titel
als todeswürdiges Verbrechen geahnt wurde? Und doch war der Unter-
schied nicht so bedeutend. Obwohl jetzt statt der damals einzig gelten-
den allgemeinen Anrede „Bürger" alle möglichen Rangabstufungen
wiedergestellt waren, so herrschte doch auch jetzt wie damals eine
wirkliche Gleichheit, nämlich die Gleichheit der Furcht und der Knecht-
schaft. Selbst seine Brüder, die Könige, mußten sich als elende
Geschöpfe seiner Laune von ihm mißhandeln lassen! Nicht einmal die
allergewöhnlichsten Formen des Anstandes und der Höflichkeit beob-
achtete er gegen sie. Der eine von ihnen, Louis, der, wie es scheint,
noch etwas menschliches Gefühl hatte, mußte seine Königswürde nie-
derlegen, als er es wagte, wirklich einmal für das Wohl des ihm an-
vertrauten Volkes sorgen zu wollen. Und wie mußte sich der arme
Joseph hierhin und dorthin schicken lassen! Erst hatte er den Nea-
politanern angekündigt: „Se. Majestät, der Kaiser, hat mir befohlen,
König von Neapel zu sein." Dann wieder mußte er Neapel an
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon Louis_( Napoleon Joseph Eugen Eugen Murat Bert Neufchatel Louis Joseph
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Italien Holland Frankreich Neapel Westphalen Berg Lucca Neapel Neapel
()34 Xxv. §. Jo. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt.
nachgab, auf den Besitz des ganzen Königreichs Sachsen, das ihm
versprochen war, verzichtete, sich mit der Hälfte und mit einigen Gebiets-
erweiterungen in Westphalen und am Rhein begnügte, auch den Besitz
des sogenannten Herzogthums Warschau Rußland überließ und nur
Posen behielt. Nicht minder widerlich war die Einmischung der
Engländer. Um alle die besten holländischen Colonieen, die sie im
Lauf der französischen Kriege erobert hatten, jetzt behalten zu können,
brachten sie es dahin, daß ein altes deutsches Reichsland, niederländisch
Burgund oder Belgien, zuletzt den Oestreichern gehörig, an Holland
abgetreten und ein neues Königreich der vereinigten Niederlande gestif-
tet wurde. Was sollen wir weiter aufzählen alle die Beweise von
Nichtachtung, die unserm Vaterland noch immer von den Fremden zu
Theil wurden, und von der Uneinigkeit der deutschen Staaten unter ein-
ander. Zur Wiederherstellung eines deutschen Reiches konnte es unter
solchen Umständen nicht kommen. Es konnte nur ein deutscher Buud
aufgerichtet werden, ein Bund von sechsunddreißig souveränen Staaten,
von den europäischen Großmächten Oestreieh und Preußen an bis zu
den kleinen Fürsten von Lippe, Waldeck, Reuß, Liechtenstein und zu den
vier freien Städten hinunter. Daß alle diese an Macht und Größe so
verschiedenen Staaten gleich viel gelten, daß sie zu jedem wichtigen
Beschluß Stimmeneinhelligkeit erzielen, daß sie ohne Bundesgericht,
ohne Vollziehungsbehörde nur auf allseitigen guten Willen gewiesen
sein sollten, das mußte sich bald genug als unerträgliche Hemmung
jeder inner» Weiterbildung erweisen. Jndeß es blieb dabei, und am
5. Noveinber 1816 trat der Bundestag in Frankfurt zusammen.
Gestehen wir es also, die politischen Früchte des großen Sieges waren
keineswegs den Wünschen und Hoffnungen der Vaterlandsfreunde ent-
sprechend, und auch die sittliche Erhebung schien unter den eifersüchti-
gen Fürsten schon wieder zu schwinden. Jndeß es schien doch nur so.
Durch die unvermuthete Rückkehr Napoleon's von Elba, durch die
erneute gemeinsame Kriegesarbeit wurde die Nothwendigkeit des engen
Zusammenhaltens, die Unsicherheit des irdischen Friedens und Besitz-
thums, die Gefahr der Entzweiung auf's Neue den verbündeten Für-
sten nachdrücklich vor die Augen gestellt. Da traten am 26. September
1815 die drei Monarchen von Rußland*), Preußen und Oestreich zu
der sogenannten heiligen Allianz zusammen, zu dem heiligen
Bunde, in welchem sich jeder verpstichtete, seine Regierung nach christ-
lichen Grundsätzen in Liebe, Gerechtigkeit und Frieden führen zu wollen.
Man sollte meinen, dazu sei jeder Monarch ohnehin verpflichtet, und
so ist es auch. Aber in der Zeit gänzlicher Verdunkelung des Gottes-
worteö, gänzlicher Glaubenslosigkeit und Glaubensspötterei war es für
lächerlich gehalten, in der Politik aus die Vorschriften des Evangeliums
*) Urheber des Bundes war Alexander von Rußland: er war während der
Befreiungskriege religiös angeregt worden durch die Frau von Krüden er.
Ps. 91 war sein Lieblingspsalm. Des preußischen Königs Licblingöspruch:
meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott.
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Alexander_von_Rußland Alexander Königs_Licblingöspruch
Leitfaden
der
Weltgeschichte
für die
höheren Claffen evangelischer Gymnasien und Realschulen,
sowie
zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt.
Von
L. v. Nohden,
zweitem Inspektor an der rheinischen Missionsanstalr.
Aber zu der Zeit solcher Königreiche wird Gott
vom Himmel ein Königreich ausrickten, das nim-
mcrmehr zerstöret wird; und sein Königreich wird
aus kein andres Volk kommen. Es wird alle diese
Königreiche zermalmen uno verstören, aber es
wird ewiglich bleiben. Dan. 44.
Lübeck,
von Rohden'sche Buchhandlung.
1859.
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